Hochsensibles Umfeld fördert emotionale Stabilität

Soeben habe ich eine noch laufende Umfrage zum sozialen Umfeld hochsensibler Menschen ausgewertet.

Es ergeben sich interessante Ergebnisse:

Freundschaften, Bekanntschaften und Partnerschaften erhöhen die emotionale Stabilität. Besonders hilfreich sind dabei zwischenmenschliche Beziehungen zu anderen Hochsensiblen.

Eine vorherige Datenauswertung der Angaben von 10247 Gleichklang-Mitgliedern zeigte bereits, dass oftmals Freundschaften mit anderen Hochsensiblen angestrebt werden.

Eine weitere vorherige Befragung von 1109 Hochsensiblen gelangte zu dem Ergebnis, dass partnerschaftliche Beziehungen zwischen Hochsensiblen stabiler und glücklicher verlaufen als Partnerschaften zwischen hochsensiblen und nicht hochsensiblen Personen.

Die jetzige aktuelle Umfrage macht darüber hinaus zusätzlich deutlich, dass Hochsensible durch soziale Kontakte zu anderen Hochsensiblen auch ihre eigene emotionale Stabilität erhöhen können.

Hochsensible können also ihr eigenes positives Erleben maximieren und emotionale Belastung minimieren, indem sie einander kennenlernen.

So entsteht ein soziales Bezugsfeld, welches sich förderlich auf emotionale Stabilität und Wohlbefinden auswirkt und welches mögliche Belastungen durch die Hochsensibilität reduzieren kann.

Hintergrund zur Umfrage

An der Umfrage beteiligten sich bisher 235 Personen, unter ihnen 51 Männer, 179 Frauen, 2 Intersexuelle und 3 Personen die angaben, ein anderes Geschlecht zu haben.

Das Vorliegen von Hochsensibilität wurde durch die relevanten Fragen des HSP-Tests  bestätigt, wobei Werte ab 49 als Indikatoren für Hochsensibilität zugrunde gelegt wurden.

Erfragt wurden außerdem:

  • Vorliegen einer Partnerschaft mit einer hochsensiblen oder nicht hochsensiblen Person
  • Anzahl an hochsensiblen Familienangehörigen
  • Anzahl an hochsensiblen Freunden
  • Anzahl an hochsensiblen Bekannten
  • Gesamtanzahl aller Familienangehörigen
  • Gesamtanzahl aller Freunde
  • Gesamtanzahl aller Bekannten

Ein Kommentar zu diesem Beitrag wies mich darauf hin, dass zum Verständnis folgende Präzisierung erforderlich ist:

  • Die Verankerung in einem hochsensiblen und in einem nicht hochsensiblen Umfeld schließen sich nicht gegenseitig aus. Wenn jemand sowohl über einen hochsensiblen als auch über einen nicht hochsensiblen Freundes-, Familien- und Bekanntenkreis verfügt, dann kann also gleichzeitig eine hohe Verankerung in einem hochsensiblen und in einem nicht hochsensiblen Umfeld vorliegen.

Die emotionale Stabilität wurde erhoben durch Fragen zu Lebenszufriedenheit und Optimismus, Ängsten, Stress und sozialer Isolation.

Für die Auswertung wurden alle Information statistisch zu vier Skalen verdichtet:

  • Skala der emotionalen Stabilität
  • Skala der Einbettung in ein hochsensibles soziales Umfeld
  • Skala der Einbettung in ein nicht hochsensibles Umfeld
  • Punktewert im HSP-Test

Nunmehr wurden die Zusammenhänge berechnet zwischen emotionaler Stabilität auf der einen Seite sowie dem Punktewert im HSP-Test, der Einbettung in ein hochsensibles soziales Umfeld und der Einbettung in ein nicht hochsensibles Umfeld auf der anderen Seite. Hierzu wurde statistisch eine sogenannte Regressionsanalyse durchgeführt.

Ergebnisse im Detail

  • Je höher der HSP-Wert, desto geringer ist die emotionale Stabilität
  • Je stärker die Einbettung in ein hochsensibles soziales Umfeld, desto höher ist die emotionale Stabilität
  • Je stärker die Einbettung in ein nicht hochsensibles soziales Umfeld, desto höher ist die emotionale Stabilität
  • Die schützenden Auswirkungen eines hochsensiblen sozialen Umfeldes sind deutlich höher als die schützenden Auswirkungen eines nicht hochsensiblen sozialen Umfeldes.

Schlussfolgerungen

Menschen mit Hochsensibilität zeigen eher Anzeichen einer geringeren emotionalen Stabilität als Menschen, bei denen keine Hochsensibilität vorliegt.

Die Verfügbarkeit sozialer Kontakte geht aber einher mit einer erhöhten emotionalen Stabilität. Soziale Kontakte können offenbar der Tendenz zu erniedrigter emotionaler Stabilität von Hochsensiblen entgegenwirken.

Zwar fördern soziale Kontakte insgesamt die emotionale Stabilität von hochsensiblen Menschen, aber besonders hilfreich sind soziale Kontakte zu anderen ebenfalls hochsensiblen Menschen.

Die mit Hochsensibilität oftmals einhergehende geringere emotionale Stabilität lässt sich demnach durch den Aufbau tragfähiger sozialer Beziehungen, insbesondere zu anderen hochsensiblen Menschen, ausgleichen.

Aus psychologischer Sichtweise ist hochsensiblen Menschen zu raten, sich insbesondere um den Aufbau von Kontakte mit anderen hochsensiblen Menschen bemühen, um so Belastungen durch die Hochsensibilität abzubauen und den möglichen Ressourcencharakter von Hochsensibilität stärker in den Vordergrund zu bringen.

Die Umfrage läuft nach wie vor und enthält noch weitere Fragen, über die in diesem Artikel noch nicht berichtet wird. Wenn die Teilnehmeranzahl erheblich höher ist, werden weitere Artikel folgen, beispielsweise dazu, wie sich das Geschlecht auf Hochsensibilität und die Folgen von Hochsensibilität auswirkt.

About Author:

Guido F. Gebauer, studierte Psychologie an den Universitäten, Trier, Humboldt Universität zu Berlin und Cambridge (Großbritannien). Promotion an der University of Cambridge zu den Zusammenhängen zwischen unbewusstem Lernen und Intelligenz. Im Anschluss rechtspsychologische Ausbildung, Tätigkeit in der forensischen Psychiatrie und 10-jährige Tätigkeit als Gerichtsgutachter. Gründung der psychologischen Kennenlern-Plattform www.Gleichklang.de 2006. Lebt und arbeitet in Kambodscha. Schreibt für Hochsensible.eu und vegan.eu, bietet COACHING (Telefon, Video-Chat) zu Hochsensibilität und persönlicher Weiterentwicklung an.

5 thoughts on “Hochsensibles Umfeld fördert emotionale Stabilität

  1. Ich vermute stark , dass es sich um einen Druckfehler handelt :

    unter ERGEBNISSE IM DETAIL

    Punkt 3
    sollte es sicher heißen :

    Je stärker die Einbettung in ein nicht hochsensibles soziales Umfeld, desto höher ist die emotionale INstabilität bzw. desto GERINGER ist die emotionale Stabilität.

    DANKE für den hochinteressanten und hilfreichen Beitrag.

    Liebe Grüße

    Gera

    1. Danke für den Hinweis. Ich habe eine zusätzliche Erläuterung im Text eingefügt. Tatsächlich ist es kein Druckfehler, aber die Erklärung war nicht verständlich genug. Die Ergebnisse zeigen, dass Freunde, Bekannte und Familienangehörige allgemein eine stützende Rolle spielen, auch wenn sie selber nicht hochsensibel sind. Je stärker Hochsensible also selbst über nicht-hochsensible Freunde etc. verfügen, desto stabiler sind sie selbst. Allerdings wird die emotionale Stabilität sehr viel stärker durch hochsensible Freunde etc. erhöht. Der schützende und stärkende Effekt von Freunden, Familienangehörigen und Bekannter ist also ausgeprägter, wenn diese Freunde, Familienangehörigen und Bekannten ebenfalls hochsensibel sind. Verankerung in einem hochsensiblen Umfeld und in einem nicht hochsensiblen Umfeld schließen sich in dieser Analyse nicht aus, sondern können beide gleichzeitig vorliegen.

  2. Ich bin mir nicht sicher, ob das grundsätzlich so ist. Um jmd. emotional unterstützen zu können,braucht es ja vor allem persönliche Ausgeglichenheit, Standhaftigkeit, Aufrichtigkeit, auch Kraft und Frohsinn. Ich habe den Eindruck, daß es nicht immer so hilfreich ist, wenn zwei unausgeglichene Hochsensible aufeinandertreffen und hilfreicher, wenn der/die hilfesuchende
    Hochsensible einen fröhlichen, gut geerdeten Wenigersensiblen trifft. Über Erfahrungsaustausch dazu würde ich mich freuen.

  3. Meine Erfahrung ist, dass Hochsensible, die sich über Ihre Eigenschaften bewußt sind und daher andere HSPs akzeptieren so, wie sie sind, einander Stabilität geben können. Ein Mensch, der nichthochsensibel ist, kann genauso tolerant und Mitfühlend sein, ohne die klassischen HSP Eigenschaften zu haben und ist dann ebenfalls ein stabilisierender Faktor und kann eine große Bereicherung sein..
    Eine Familie, die die HSP überrennt, hat einen extrem destabilisierenden Einfluss. Es geht doch allgemein um den Umgang miteinander und die Fähigkeit sich gegenseitig in der Unterschiedlichkeit zu akzeptieren.

  4. Lieber Guido F. Gebauer,

    vielen Dank für Ihre empirischen Forschungen und Erkenntnisse zum Thema Hochsensibilität!

    Ich arbeite seit 18 Jahren mit Hochsensiblen in eigener Praxis und kann Ihre Erkenntnisse, dass ein hochsensibles Umfeld Hochsensible stärkt, nur bestätigen. Es fällt so Vieles weg: Der Erklärungszwang, wenn man/frau Zeit für sich braucht oder an manchen Aktivitäten nicht teilnehmen möchte, weil sie überfordern; die Notwendigkeit, sich gegenüber Kritik nach dem Motto „du bist aber schon wieder empfindlich/eine Mimose“, „stell dich nicht so an“ rechtfertigen zu müssen.

    Vertrauen, Harmonie, gegenseitiger Respekt und Wertschätzung sind – meiner Erfahrung nach – die wichtigsten Werte für Hochsensible in Beziehungen.

    In Bezug auf weniger sensible oder nicht sensible Partnerschaften, Freundinnenschaften, Familienangehörige… ist die Verletzung dieser Werte – neben anderen Faktoren – meines Erachtens einer der wichtigsten Gründe, warum Hochsensible häufig erschöpft sind, ausbrennen und zu Depressionen neigen.

    Gerade ihr Harmoniebedürfnis bewirkt, dass sie zu wenig Grenzen setzen, klar ihre Meinung äußern, zu schnell vergeben, wenn sie schlecht behandelt wurden, um irgendwann später – nachdem sich entschuldigt wurde und sie vergeben haben – mit den gleichen Menschen wieder die gleichen Erfahrungen zu machen.

    Weil Hochsensible ein starkes Bedürfnis nach Familie/Gemeinschaft haben, sind sie bereit, einiges zu opfern, um das Gefühl zu haben, sie wären in diesem Umfeld verankert und es böte ihnen Sicherheit. Meist geht dies auf Kosten ihrer Selbstliebe – die in den meisten Fällen nicht vorhanden ist – und ihres Selbstwertgefühls: Sie sind darauf „geeicht“ ständig ihr Umfeld zu „scannen“ und herauszufinden, was sie beitragen können, damit sich die Stimmung bessert und es anderen Menschen besser geht. Meist zu ihren eigenen Lasten.

    Elaine Aron, die Pionierin auf dem Gebiet der Hochsensiblenforschung, hat in ihrem Buch „The highly sensitive person“ gemeint, Hochsensible und weniger oder nicht Sensible könnten gute Beziehungen führen, weil die weniger oder nicht Sensiblen den Hochsensiblen Aufgaben abnehmen, die sie nicht gern verrichten (z.B. Einkäufe in Kaufhäusern mit vielen Menschen, Lärm, visuellen Reizen, Gerüchen…).

    Wenn ich mit anderen KollegInnen, die auch mit Hochsensiblen arbeiten, darüber spreche, sind wir uns einig, dass diese Vorteile die Nachteile, die durch eine völlig unterschiedliche Wahrnehmung und daraus resultierende Konflikte entstehen, mit denen wir durch unsere KlientInnen täglich konfrontiert sind, nicht aufwiegen.

    Weiterhin alles Gute für Sie und herzliche Grüße!

    Petra Moira Schmidt
    Diplom-Sozialwissenschaftlerin, systemisch-lösungsorientierte Therapeutin
    http://www.hochbegabt-hochsensibel.com

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